"Unvollstandigkeit" lyrics - EINSTURZENDE NEUBAUTEN

EINSTURZENDE NEUBAUTEN
"Unvollstandigkeit"

Man kann es nicht unbedingt Schlaf nennen
Vom einen zum anderen Pol das Ganze genauso weit entfernt
Die Traume lehnen sich uber den Rand
Und starren in den Krater der verlorenen Gegenstande
Die dort unten ruhig ihre Bahnen ziehen
Sie starren unverwandt zuruck
Und ich frage mich: Wieviele Dinge haben sich jetzt schon wieder verselbstandigt?
Der Koffer wurde aufgegeben
Ich hab ihn aufgegeben
Und er ist irgendwo gelandet
Wo ich nicht gelandet bin
Sein Inhalt ist Diebesgut geworden
Prise, langst versilbert, oder besser: verpulvert
Ich setz mich aufrecht
Es spielt keine Rolle, ob es nachmittags ist, abends oder mitten in der Nacht
Das Tageslicht wird mich in den Tatsachen verwickeln, die diese Zeitzone so mit sich bringt
Draussen
Es gibt ein draussen
Aber bin ich noch vollstandig genug?
Hab' ich noch alle beisammen?
Die sieben Sachen
Brille
Stift
Und Block
Karten
Geld
Pass
Und Schlussel

Talente?

Ich hab' das mit dem draussen erst einmal gekippt
Sein und sein gelassen

Ich setz mich aufrecht

Ich rauspere den Schleim nach oben, bis ich ihn zu fassen kriege.
Mit zwei Fingern ziehe ich seinen Faden aus meiner Kehle, meinem Korper.
Daran hangen wie an einem Gluckskettchen:
Ein Herz, meine Liebe, eine Flasche, ein Haus, eine Munze, ein Hufeisen,
Eine Sechs, eine Sieben, ein Kleeblatt, ein Fisch, ein Wurfel, eine 13,
Eine Glocke, ein Schloss, ein Schlussel, ein Hammer, ein Stern, der Mond, die Sonne
Und ganz zum Schluss dann eine Putzburste deren Borsten noch
Die letzten Reste, ein paar Klumpchen, mit nach draussen holen.

Endlich sauber. Endlich leer.

Ich trinke ein grosses Glas Wasser und warte. Was fest und in mir mich sorgte,
Hangt vor mir und trocknet wie altes Gemuse, Peperoni, Dorrobst.

Das Wasser findet seinen Weg. Ich lasse es, ein letzter Strahl.
Ein letztes Gas, ein Flatus.
Endlich leer.
Endlich leer.

Ich: meine Hulle.